Bei einem Schienbeinkopfbruch, was in der medizinischen Fachsprache auch als Tibiakopffraktur bezeichnet wird, handelt es sich um einen Bruch am oberen Ende des Schienbeins (lat.: Tibia). Dabei ist der Teil betroffen, der sich in unmittelbarer Verbindung mit dem Kniegelenk befindet.
Welche Ursachen kann ein Schienbeinkopfbruch haben?
In den meisten Fällen bricht der Kopf des Schienbeins aufgrund einer hohen mechanischen Gewalteinwirkung. Ursache dafür kann ein Sturz aus großer Höhe sein. Der Unfallhergang würde dann so aussehen, dass man nach dem Fall zuerst mit den Beinen auf dem Boden aufkommt. Der Untergrund ist dabei so hart, dass er nicht nachgibt und das Knie auch nicht schützen kann. Die Folge: Es treten hohe Stauungskräfte entlang der Unter- und Oberschenkel-Achse auf. Dadurch bricht der untere Teil des Oberschenkels, die sogenannten Femurkondylen, in den Tibiakopf.
Allerdings muss der Sturz gar nicht von allzu weit oben passieren. Bereits plötzlich auftretende, unscheinbare Stürze aus geringer Höhe können ausreichen, damit eine Fraktur in diesem Bereich entsteht. Ein weiteres Ereignis, dass zu einer gewaltigen Krafteinwirkung auf den Unterschenkel von außen führt, ist der Autounfall. Besonders dann, wenn ein Auffahrunfall geschieht, prallen das Armaturenbrett und die Beine hart aufeinander. Es kann zu vielen verschiedenen Verletzungen – unter anderem zu einer Tibiakopffraktur – kommen.
Körpereigene Ursachen
Es müssen nicht immer hohe Kräfte von außen einwirken, um den Tibiakopf zu brechen. Manchmal reichen dafür schon Krankheiten des menschlichen Körpers aus, die den Knochen derartig schwächen, dass er instabil und brüchig wird. Eine Erkrankung die diese Situation auslösen kann, ist der Krebs. Die Krebszellen bleiben in einigen Fällen nicht an ihrer ursprünglichen Stelle, sondern bilden Metastasen (Tochtergeschwüre) und breiten sich immer weiter über den Körper aus. Vielen dringen dabei auch in die Knochen hinein. Dort agieren sie so aggressiv, dass sie die gesamte Substanz schädigen und den Knochen dadurch in seiner Stabilität negativ beeinflussen.
Aber auch Osteoporose kann ein Grund für eine Schienbeinkopffraktur sein. Bei dieser Erkrankung verschiebt sich das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau in Richtung des Abbaus. Die Knochen werden immer dünner und ihre Dichte sinkt. Zudem wird unter anderem Magnesium nicht mehr effektiv eingelagert und kleine Schäden unzureichend repariert, was seine Stabilität ebenfalls enorm beeinträchtigt. Er wird so porös, dass selbst bei kleinsten Unfällen eine Fraktur ausgelöst werden kann.
Sportverletzungen
Eine weitere Möglichkeit sich eine Tibiakopffraktur zuzuziehen ist beim Sport. Vor allem aufgrund von Unfällen beim Skifahren oder Fahrradfahren, bei denen es ebenfalls zu großen Krafteinwirkung kommt, besteht die Möglichkeit für solch eine Verletzung.
Welche Symptome treten bei einer Tibiakopffraktur auf?
Aufgrund der Tatsache, dass einer Tibiakopffraktur in den meisten Fällen ein Unfall vorausgeht, lässt sich anhand des Unfallgeschehens und der Lokalisation der Schmerzen bereits ziemlich gut feststellen, worum es sich hierbei handeln könnte. Rein optisch kommt es zunächst zu einer starken Schwellung mit deutlicher Formabweichung im Bereich der Bruchstelle. Diese kann sich bis über das Knie und auf den Unterschenkel ausweiten. Dazu tritt häufig ein großer Bluterguss auf. Zieht sich dieser bis ins Gelenk, spricht man von einem Hämarthros.
Die bei einer Schienbeinkopffraktur auftretenden, äußerst starken Schmerzen und eine Sensibilitätsstörung am äußeren Unterschenkel sowie am Fußrücken weisen darauf hin, dass sich der dort befindliche Nerv (Nervus peroneus communis) beschädigt worden ist.
Infolgedessen erleidet der Patient eine Fußheberlähmung, was immer auch im Gangbild deutlich sichtbar ist. Der Fußrücken kann nicht mehr flektiert werden und das Bein wird stattdessen von der Hüfte aus gehoben, um einen Schritt nach vorne zu machen. Zusätzlich kommt es selbstverständlich zu einer Bewegungseinschränkung im Kniegelenk und einer dortigen Instabilität. Dies macht es für den Betroffenen unmöglich eine Belastung auf diesem Bein auszuüben. Selbst einfaches Stehen oder Gehen sind nicht durchführbar.
Weitere mögliche Symptome
Neben dem Bruch an sich können auch die Kreuz- und Seitenbänder verletzt worden sein. Und selbst die Menisken, die sich als Stoßdämpfer zwischen Unter- und Oberschenkel befinden, sowie die Arteria und Vena poplitea sind teilweise mit beschädigt. Besonders schmerzhaft wird es, wenn sich über die Fraktur hinaus ein Kompartmentsyndrom bildet. Dabei breitet sich der Bluterguss über den Unterschenkel aus, was zu einer Drucksteigerung unter der Faszie („Muskelhülle“) führt. Daraus resultieren unstillbare, starke Schmerzen, Störungen in der Muskelfunktion, Nervenkribbeln und ein nicht tastbarer peripherer Puls.
Ein äußerst seltenes Symptom einer Schienbeinfraktur ist der offene Bruch. Liegt dieser vor, muss unmittelbar eine Operation erfolgen. Die Gefahr einer Gelenkinfektion durch eintretende Keime ist in diesem Fall ansonsten zu hoch.
Welche Therapie muss bei einer Schienbeinkopffraktur angewendet werden?
Wie ein Bruch des Tibiakopfes behandelt wird, hängt immer von der Art der Fraktur ab: Bei einer Depressionsfraktur kommt es zu einem sogenannten Spaltbruch. Das bedeutet, dass die Gelenkfläche – in diesem Fall das Tibiaplateau – einen Spalt aufweist, wobei sich die einzelnen Fragmente verschieben. Eine Impressionsfraktur hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass die Knochenteile nach innen verlagert sind. Dies hängt mit der starken Kraft zusammen, die der Oberschenkelknochen von oben auf die Tibia – beispielsweise bei einem Sturz – ausübt. Dieser Eindrückungsbruch geschieht meist an der Außenseite des Knies.
Die Beinachse weist eine leichte O-Form auf, wodurch einwirkende Kräfte vermehrt auf das laterale (äußere) Tibiaplateau treffen. Hinzu kommt, dass die dortige Knochenstruktur dünner aufgebaut ist. Schienbeinkopffrakturen alleine am medialen (inneren) Plateau treten hingegen deutlich seltener auf.
Bei gewissen Unfallhergängen besteht die Möglichkeit, dass diese beiden Frakturen gleichzeitig auftreten, was als Impressions-Depressions-Fraktur bezeichnet wird. Dabei bildet sich nicht nur ein Spalt im Knochen, sondern es erfolgt zusätzlich auch noch ein Eindrücken der Gelenkflächen. Der schwerwiegendste dieser Brüche ist allerdings die bikondyläre Tibiakopffraktur, auch als Plateaufraktur bezeichnet. Kompliziert wird sie dadurch, dass beide Gelenkköpfe einen Spaltbruch erleiden und obendrein sowohl der Knorpel, als auch Bänder und Menisken verletzt sind.
Die konservative Therapie
Sind die einzelnen Knochenfragmente nicht verschoben und handelt es sich um einen einfachen Bruch, muss bei einer Tibiakopffraktur nicht immer operiert werden. Dies ist auch der Fall, wenn der Patient sich bereits in einem so hohen Alter befindet, dass die Narkose eine zu große Gefahr für ihn darstellen würde. Bei der konservativen Behandlung wird das Bein zunächst in einem Gipsverband für circa 4 Wochen ruhiggestellt, damit alle Knochenteile die Möglichkeit bekommen wieder zusammenzuwachsen. Anschließend folgen mehrere Wochen mit einer Schiene und Unterarmgehstützen. Wichtig ist hierbei, dass nach einiger Zeit Krankengymnastik stattfindet.
Einerseits für den Erhalt der Muskulatur und des Sehnen-Band-Apparates – andererseits, um die Bildung einer Thrombose zu verhindern. Lediglich bei einer ausgeprägten Hämarthrose ist es in der Regel sinnvoll, eine Kniegelenkspunktion vornehmen zu lassen.
Der operative Eingriff
Ist die Schienbeinkopffraktur komplizierter und sind zum Beispiel die Knochenfragmente disloziert, ist eine Operation unausweichlich. Bei einem Spaltbruch werden eine Schraubenosteosynthese sowie seitliche Abstützplatten eingebaut, um die Bruchstelle zu stabilisieren. Ist der Schienbeinkopf eingedrückt, muss zunächst eine Auffüllung mit Knochenersatzmaterial erfolgen. Der nächste Schritt ist dann der Einbau von winkelstabilen Platten und Schrauben. Bei einem kombinierten, Depression-Impression-Bruch klappt der Operateur als Erstes die Spaltfragmente zur Seite. Daraufhin wird der eingebrochene Knochen mit neuer Substanz aufgebaut und die Fragmente wieder zurückgeführt.
Den Abschluss bildet die Befestigung von allen Einzelteilen mithilfe von Schrauben und Platten (winkelstabilen Plattenosteosynthese). Diese Osteosynthesematerialien kommen auch bei der Plateaufraktur zum Einsatz. Bei manchen Patienten muss zusätzlich ein gelenkübergreifender Fixateur externe eingesetzt werden, um die Bruchstelle für eine gewisse Zeit komplett ruhigzustellen.
Die Wichtigkeit der Therapie bei einem Schienbeinkopfbruch
Bei der Behandlung der Tibiakopffraktur steht ein Erhalt des Kniegelenks stets an oberster Stelle. Wird die Verletzung nicht effektiv und gewissenhaft therapiert, können die Gelenkflächen nicht mehr ihre ursprüngliche, anatomische Form annehmen und darüber hinaus eine Achsenfehlstellung entstehen. Dies kann zu einer Arthrose im Kniegelenk mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Zudem wird die betroffene Seite weniger belastet werden, um Schmerzen zu vermeiden. Dies hat jedoch unmittelbare Auswirkungen auf die gesunde Seite, die infolgedessen übermäßig belastet und gereizt wird.
Weitere Folgen einer mangelhaften Therapie können sich in starken, dauerhaften Schmerzen oder auch in einer Störung der Sensibilität bis hin zur Lähmung bemerkbar machen.