Kann das Thema Gentamycin als Antimykotikum wirklich spannend sein? Das kommt darauf an, mit welchen Augen man dieses Thema betrachtet. Spannend ist zunächst einmal, dass die Medizingeschichte immer wieder neu herausgefordert wird, neue wirksame Medikamente zu entwickeln. In diesem Fall geht es um ein Antimykotikum – also ein Medikament gegen einen Pilzbefall der Haut. Doch eigentlich begann die Geschichte dieses Medikaments ganz anders.
Gentamycin als Antimykotikum: Wie alles begann
An sich wurde der „Gentamycin“ genannte Wirkstoff nämlich in den 1960er Jahren in Amerika als Antibiotikum entwickelt. Genau gesagt, sollte es als neuartiges Reserve-Antibiotikum genutzt werden. Es sollte anfangs nur in der Humanmedizin – und nur gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden, die wegen zunehmender Antibiotika-Resistenzen anders nicht mehr beherrschbar waren. Tatsächlich nutzten sowohl die Humanmediziner, als auch die Veterinärmediziner, dieses neuartige Präparat zunächst nur in diesem Zusammenhang.
Wie jeder weiß, greifen Antibiotika neben den zu bekämpfenden Erregern auch die guten Darmkeime an – und schwächen damit das Immunsystem. Nach jeder Behandlung mit Antibiotika sollte daher eine Darmsanierung stehen.
Trotzdem werden Antibiotika auch heute noch verschwenderisch verordnet. Vielleicht etwas zögerlicher als früher und nur noch bei geeigneten Indikationen. Irgendwann begannen sowohl Humanmediziner, als auch Veterinäre, Gentamycin in einem ganz anderen Zusammenhang einzusetzen. Das passiert gar nicht so selten, wie mancher meint. Potenzmittel wie Viagra waren zum Beispiel eigentlich als Blutdrucksenker gedacht. Es war einer Zufallsentdeckung zu verdanken, dass solche PDE-5-Hemmer heute in ganz anderen Zusammenhängen verordnet werden – nämlich als Potenzmittel. In diesem Bereich fehlte es bis dahin an wirksamen Medikamenten. Mit der neuen Nutzung bahnten sich außerdem ungeahnte Umsatzmöglichkeiten an.
In Bezug auf unser neues Antibiotikum könnte sich die Entscheidung, das Gentamycin immer öfter als Antimykotikum gegen Pilzerkrankungen beim Menschen einzusetzen, als fatal erweisen. Noch fataler ist es, dieses Präparat großzügig als Antibiotikum der neueren Generation in der Massentierhaltung einzusetzen. Über den Konsum von Fleisch aus konventioneller Tierhaltung kommt dieses Antibiotikum auf unsere Teller zurück. Hier wird ein resistenzfreies Reserve-Antibiotikum ohne Not für andere Zwecke verbraten. Das erzeugt in der Folge womöglich neue Resistenzen.
Was sagen Fachleute?
Zwischen einem Antibiotikum und einen Antimykotikum besteht ein Unterschied. Antibiotika werden gegen alle möglichen bakteriellen Erreger eingesetzt, oft aber auch gegen Viren. Wir wissen heute von einer zu sorglosen Antibiotika-Verwendung in der Vergangenheit. Mediziner haben zunehmend mit den daraus entstandenen Antibiotika-Resistenzen zu tun. Interessant ist nun, dass Gentamycin das Interesse der Wissenschaft gewinnen konnte, weil diesem Medikament eben kein Versagen bei resistenten Keimen zugeschrieben werden muss. Wo normale Antibiotika keine Wirkung mehr zeigen, könnte ein Arzt immer noch auf Gentamycin als Reserve-Antibiotikum zurückgreifen. Heutzutage nimmt die Medizin das Thema Resistenzen deutlich wichtiger.
Medikamente, die eine antibiotische Wirkung haben, werden nur noch bei schweren Krankheitsverläufen verordnet. Zuvor wird die Erkrankung meist mit anti-entzündlichen Medikamenten therapiert. Gentamycin gilt heute als sogenanntes Reserve-Antibiotikum. Dieses Präparat soll an sich erst eingesetzt werden, wenn sämtliche anderen Therapieoptionen versagt haben. Vor allem kommt es bei sogenannten Krankenhausinfektionen zum Einsatz. Aber leider nicht nur.
Die Karriere von Gentamycin als Antimykotikum
Pilzinfektionen der Haut oder der Schleimhäute sind für die Betroffenen sehr unangenehm. Pilzerkrankungen können bei großer Ausdehnung hartnäckig und bei Immunschwäche sogar lebensgefährlich sein. Als klassische Therapieoption wurden Medikamente entwickelt, die speziell bei Pilzinfektionen zur Anwendung kommen. Diese Medikamente werden zusammenfassend als „Antimykotika“ bezeichnet. Dass auch Gentamycin Mykosen abtöten kann, entdeckten die Mediziner irgendwann. Daher wird das Reserve-Antibiotikum heutzutage auch als lokales Antimykotikum eingesetzt. Pilzinfektionen heilen leichter aus, wenn begleitend eine Ernährungsumstellung erfolgt. Außerdem sollte die Haut an den befallenen Stellen trocken gehalten werden.
Vorsicht ist jedoch bei einem systemischen Einsatz des Wirkstoffs Gentamycin geboten. Sollte Gentamycin oral eingenommen oder injiziert werden, sind schwere Nebenwirkungen oder Nierenschädigungen zu erwarten. Bei lokaler äußerlicher Anwendung sind die Nebenwirkungen deutlich geringer – insbesondere, wenn die Behandlung mit Gentamycin nur kurzzeitig vorgenommen wird. Die äußerliche Anwendung von Gentamycin als Antimykotikum kann in Form von Salbe, Wirkstoff-Pflaster oder wirkstoffhaltigem Puder erfolgen. Pilzinfektionen am Auge können mit wirkstoffhaltigen Augentropfen therapiert werden. Eine exakte Dosierung des Gentamycins wird angeraten. Damit können Nebenwirkungen gering gehalten werden.
Überdosierungen werden verhindert. Ein Salbenstrang von 2-3 Zentmetern genügt vollkommen. Die Gentamycin-Salbe sollte mit Latexhandschuhen aufgebracht werden, um Kontaminierungen anderer Hautstellen zu vermeiden. Nach maximal 14 Tagen sollte der Pilzbefall verschwunden sein. Die befallene Haut kann sich regenerieren. Der Hautschutzmantel wird neuerlich errichtet und schützt in der Folge vor neuerlichem Pilzbefall. Soweit, so gut.
Ist es klug, Reserve-Antibiotika für solche Zwecke einzusetzen?
Das ist eine gute Frage. Fakt ist: Seit Jahren ist ein Ansteigen der Verordnungen von Reserve-Antibiotika zu vermelden. Das gilt sowohl im medizinischen wie auch im veterinärmedizinischen Bereich. An und für sich sollten die Reserve-Antibiotika aber für jene bakteriellen Erreger zurückgehalten werden, die anders nicht mehr bekämpft werden können. Werden nun jedoch vermehrt Reserve-Antibiotika für andere Zwecke – wie beispielsweise Pilzerkrankungen – verordnet, können auch diese früher oder später zu Antibiotika-Resistenzen führen. Damit fehlt es dann an einem wertvollen Reserve-Antibiotikum.
Eine behördliche Nachprüfung ergab, dass die Reserve-Antibiotika „Colistin“ und „Makrolide“, die als letzte Behandlungsoptionen von schwer erkrankten Menschen entwickelt wurden, bereits massenhaft in der Massentierhaltung verordnet werden.
Damit wird erneut die Gefahr von Resistenzen in Kauf genommen – und diese betrifft vor allem Fleischesser. Ähnliches kann passieren, wenn solche Reserve-Antibiotika nun vermehrt als äußerlich anwendbares Medikament gegen Pilzinfektionen zur Anwendung kommen. Dann sind es eben keine Reserve-Antibiotika mehr. Niemand kann nachvollziehen, wie viele Resistenzen der Zukunft auf das Konto von Gentamycin als Antimykotikum und vorbeugend verabreichtes Antibiotikum in der Massentierhaltung zurückgehen werden.